Das große Kribbeln im Kopf
Yoga? Meditation? Spaziergänge? Alles wunderbar. Doch die Entspannungsmethode der Stunde heißt ASMR. Die Abkürzung steht für „Autonomous Sensory Meridian Response“. Übersetzt: „Autonome Körperreaktion auf sensorische Reize“. Gemeint ist das wohlige, einschläfernde Kribbeln im Kopf, das sich bei vielen Menschen einstellt, wenn sie über längere Zeit ein sanftes, rhythmisches Geräusch hören.
Bekannt geworden ist ASMR vor allem durch YouTube – dort finden sich zahllose Videos, in denen Youtuber*innen zum Beispiel mit den Fingern auf ein Mikrofon tippen, mit Bürsten über Stoff streichen oder einen trockenen Schwamm kneten. Je monotoner die Klänge, desto intensiver die sogenannten „Tingles”, die entspannenden Kopfkribbelgefühle. Manche flüstern leise ins Mikrofon oder erzeugen sanfte Plopplaute mit dem Mund. Eine der weltweit erfolgreichsten ASMR-Künstlerinnen ist die US-Amerikanerin Gibi ASMR, deren YouTube-Kanal inzwischen über 5 Millionen Abonnent*innen zählt. In Deutschland gehört der Münchner asmr zeitgeist mit rund 3 Millionen Abonnent*innen zu den erfolgreichsten Produzenten von Geräuschevideos.
Die Reize, die „Tingles“ auslösen, sind vielfältig: Klopf- und Kratzgeräusche, das Streichen über Oberflächen, das Reiben von Händen oder leises Flüstern. Auch das rhythmische Schütteln einer Wasserflasche oder das Knarzen von Papier kann bei vielen Menschen eine entspannende Wirkung auslösen.
Auch die Wissenschaft beschäftigt sich zunehmend mit dem Phänomen. Einer der führenden ASMR-Forscher ist der US-amerikanische Professor Craig Richard. 2018 veröffentlichte er das Buch Brain Tingles und gründete die Plattform asmruniversity.com, eine zentrale Anlaufstelle für Interessierte. Anfangs verzeichnete die Website nur wenige Besucher pro Tag – heute sind es tausende. Studien belegen inzwischen, dass ASMR helfen kann, Stress zu reduzieren, die Herzfrequenz zu senken und das Einschlafen zu erleichtern [1,2]. Inzwischen werden auch mögliche neurochemische Mechanismen diskutiert – unter anderem die Ausschüttung von Oxytocin, Dopamin und Endorphinen.